Jedes Mal, wenn ich ein Navi benutze, überkommt mich dieser "Entwickler-Juckreiz". Kennt ihr das? Diese leise Stimme im Kopf: "Hm, könnte ich das auch bauen? Sieht nicht so schwer aus. Nur ein Punkt auf einer Karte, eine Linie..."
Neulich beschloss ich, diesem Juckreiz nachzugehen und setzte mich hin, um ernsthaft einen Plan zu schmieden.
Es stellte sich heraus, dass der blaue Punkt auf der Karte nur die Spitze eines eisigen Monsters ist. Unter der Wasseroberfläche lauern technische Tiefen, die einem Angst machen. Als jemand, der von Navigation besessen ist, teile ich hier meine Gedanken, womit man wirklich konfrontiert wäre.
😱 Hürde Nr. 1: Womit entwickeln und (oh Gott) woher die Karten nehmen?
Okay, die UI. Die ist einfach.
Nehmen wir Flutter (ich bin ein Fan, also ja). Wir binden Maps_flutter oder mapbox_gl ein, werfen ein Widget auf den Bildschirm ... Voilà, die Karte ist da. Man kann sogar den "Mein Standort"-Punkt aktivieren.
Dart
// Pff, was gibt's da schon zu tun
GoogleMap(
initialCameraPosition: CameraPosition(target: LatLng(52.37, 4.89), zoom: 14.0),
myLocationEnabled: true,
)
Die ersten 15 Minuten – ich fühle mich wie ein Genie. Und dann kommt die Frage: Und woher kommt die Karte eigentlich?
Option A: API (Google/Mapbox). Das ist, als würde man in ein Luxus-Taxi steigen. Bequem, schnell, cool. Die API gibt dir Karten, fertige Routen und Verkehrsdaten. Das Problem? Es ist unglaublich teuer, sobald du mehr als 10 Nutzer hast. Du zahlst für jeden Pups, für jede Kachel. Für ein Startup ist das finanzieller Selbstmord.
Option B: OpenStreetMap (OSM). Oh, dieses süße Wort "kostenlos". Leute, das ist nicht "kostenlos". Das ist wie ein "kostenloser" Bernhardiner-Welpe. Die Daten sind vielleicht umsonst, aber sie zu "füttern" (hosten) – das ist die Hölle.
Das sind Terabytes an Daten. Du brauchst deinen eigenen Tile-Server. Du brauchst deine eigene Routing-Engine (wie OSRM oder Valhalla), die diese Rohdaten verdaut. Das bedeutet ein DevOps-Team, 24/7-Support und Hosting-Rechnungen, die dich zum Weinen bringen.
💔 Hürde Nr. 2: Das Herz des Monsters. Ihm beibringen, den Weg zu finden
Gut, die Karte haben wir angezeigt. Jetzt will der Nutzer von A nach B.
"Ha, Dijkstra-Algorithmus, hatten wir an der Uni."
Ja, aber nein. Der klassische Dijkstra ist wie ein Panikmacher in einem Gebäude. Er rennt zu allen Türen gleichzeitig, um den kürzesten Weg zu finden. Für die Karte eines ganzen Landes ist das rechnerischer Selbstmord. Er ist "blind" und frisst Ressourcen.
Wir brauchen seinen coolen Bruder – A (A-Stern). A ist ein Dijkstra, dem man einen Kompass gegeben hat (eine Heuristik). Er sucht nicht einfach "überall", sondern prüft zuerst die Straßen, die ungefähr in Richtung Ziel führen. Das ist tausendmal schneller.
f(n) = g(n) + h(n) – diese Zeile ist die ganze Magie.
Aber dann platzt der VERKEHR in den Chat.
Dein wunderbarer A*-Algorithmus hat die perfekte Route auf leeren Straßen berechnet. Aber es ist 17:30 Uhr, Freitag. Das "Gewicht" einer Kante im Graphen (die Fahrzeit) ändert sich jede Sekunde.
Dieser Satz, den ihr im Navi hört: "Stau voraus, die Route wird neu berechnet" – genau dahinter verbirgt sich der ganze Schmerz. Das bedeutet, dein Backend muss in Echtzeit Daten empfangen (woher? Von den Nutzern selbst, wie Waze?), den riesigen Straßengraphen neu berechnen und dieses Update an das Handy pushen.
🤯 Hürde Nr. 3: Die reale Welt schlägt zurück
Alles, was im Simulator funktioniert hat, geht kaputt, sobald du auf die Straße gehst.
- Der Tunnel (oder "Das Offline-Versagen") Dein Nutzer fährt in einen Tunnel. Verbindung weg. CircularProgressIndicator. Die App hängt. Herzlichen Glückwunsch, sie wurde soeben gehasst und wird wahrscheinlich gelöscht.
Der Offline-Modus ist kein "Feature". Er ist Hygiene.
Und das bedeutet:
Karten-Caching: Du musst Gigabytes an Vektorkacheln im Voraus auf das Handy laden.
Offline-Routing: Du musst einen vereinfachten Straßengraphen in die App selbst stopfen und A* dazu bringen, auf dem schwachen Handy-Prozessor zu laufen. Das tut weh.
- Der betrunkene Spiderman (GPS in der Stadt) Du stehst in der Innenstadt, umgeben von Wolkenkratzern ("Häuserschluchten"). Das GPS-Signal prallt von den Gebäuden ab. Dein blauer Punkt fängt an, über Dächer zu springen, teleportiert sich in die Nachbarstraße und zurück, wie ein betrunkener Spiderman.
Deine App gerät in Panik: "BITTE LINKS ABBIEGEN!", obwohl du geradeaus fährst.
Das heilt man mit schwarzer Magie namens Map Matching (Kartenanpassung). Das ist, wenn dein Code dem GPS nicht glaubt, auf den "schmutzigen" Punkt schaut und sagt: "Aha, 10 Meter entfernt ist eine Straße. Höchstwahrscheinlich ist er dort." Klingt einfach? Ha. Versuch mal, einen Algorithmus zu schreiben, der unterscheidet zwischen "er ist auf dieser Straße" und "er ist auf die Parallelfahrbahn gewechselt".
- Der ewige Feind – Der Akku Navi an – Handy kann als Bratpfanne benutzt werden.
Wenn deine App das GPS 10 Mal pro Sekunde abfragt, killt sie den Akku in einer Stunde. Sie wird gelöscht. Du musst mit der Abfragefrequenz jonglieren, "intelligent" schlafen gehen, raffinierte System-APIs wie den Fused Location Provider nutzen, um Daten von anderen Apps zu klauen, während deine schläft.
🤔 Was ist also das Fazit?
Ein "zweites Google Maps" im Alleingang bauen? Keine Chance. Das ist Big Data, womit nur Giganten fertig werden.
Aber was ich gelernt habe: 90% der Arbeit ist nicht die hübsche UI in Flutter. 90% sind Backend, Daten und Algorithmen. Es ist ein Kampf mit der schmutzigen, ungenauen, sich ständig ändernden Realität.
Und wisst ihr was? Trotz all dieser Albträume ist dieser "Entwickler-Juckreiz" immer noch nicht weg. Ich habe jetzt nur viel, viel mehr Respekt vor den Leuten bei Google Maps.
Hattet ihr das auch schon mal?
Was waren die wildesten GPS-Bugs, denen ihr begegnet seid? Und was ist euer liebstes "unmögliches" Projekt, von dem ihr träumt?
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